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Sonntag, 14. Januar 2007

GLOBALISIERUNG IM MÜNSTERLAND

Noch 350 Kilometer bis zu meinem Bett. Wenn ich eh schon so weit fahren muss, mach ich einen Schlenker durch’s Münsterland und geh mal wieder zu Erwin, bei dem ich während meiner Zivizeit einige Stunden verbracht hatte. Erwin war der Inhaber einer Pommesbude, die „Erwins Pommesbude“ hieß und genau so war, wie man sich eine Pommesbude im tiefsten Münsterland mit diesem Namen vorstellt: Mit Fett verklebte dunkle Eichenbalken, braun furnierte Tische mit rot-weiß karierten Tischdeckchen in der Mitte. Aus dem selben Stoff hat Lissbett gleich auch die Gardinen und die Lampenschirme geschneidert. Die Stühle sind grün gepolstert, dieses Grün, in dessen Farbe das Sofa deiner Oma ist. Erwin ist ein, nennen wir es mal beleibter Mann mit einer Knollnase, die immer schnapsrot leuchtet. Seine dunkelweißen T-Shirts spannen sich immer ordentlich auf der Wanne. Erwin ist aus dem Ruhrgebiet geflüchtet, als die „Spaghettifresser“ kamen, und deshalb auch eine Mischung aus Ruhrpott-Proll und Münsterländer Verbohrtheit. So hat er auch seine Pommesbude organisiert: Pommes gibt es nur in Tüten („In die Plastikschalen passt doch nix rein“), halbe Hähne gibt’s auch nicht, nur ganze („Wer soll denn von nem halben Hahn satt werden?“) und außerdem findet man nichts auf der Karte, was es nicht vor 40 Jahren schon in einer deutschen Pommesbude gab („Komm mir bloß nicht mit so neumodischem Kram wie Pizza“).

Der Dorfbewohnerschaft ist man als Zivi sofort bekannt, weil man als einziger Unbekannter natürlich sofort allen bekannt ist. Wer zwei Mal auftaucht, muss der neue Zivi sein, weshalb man entweder sofort als Zivi gegrüßt oder von älteren Herren als Verpisserschwein angebrüllt wird. Vaterlandsverräter. „Aber ihr werdet schon noch sehen“. Jaja, wenn die Russen einfallen und unsere Frauen und Kinder ausrauben.

Erwin hatte Verständnis für uns. Das Ende des Kalten Krieges war schon bis zu ihm vorgedrungen, wenngleich „Russkis“, die „Franzköppe“ und die „Inselaffen“ ihm genau so suspekt waren wie die „Schluchtenscheißer“ (Österreicher) unsympathisch. Wir bekamen regelmäßige Aufklärungsmonologe über das echte, das wahre Leben! „Schnaps? Der ist gut, der räumt den Magen auf“. Gut, nach einem fett-triefenden Hahn und seiner Portion Pommes-Majo war der wirklich hilfreich. Und seine Belehrungen über die Welt wurden auch erträglicher. Aber es war immer sehr entspannend bei ihm, die Globalisierung war noch nicht hier angekommen und seine folkloristisch wirkenden Vorträge gaben einem immer ein Gefühl von Geborgenheit. Nach einer Currywurst-Pommes-Sitzung wusste man, dass die Welt noch wieder in Ordnung kommt, dass man mit Erwins Weisheiten und Lehrsätzen alle Schwierigkeiten des Lebens meistern würde. Ja, man glaubte fast, dass seine Frau das Ozonloch ebenso meisterlich stopfen würde wie die Löcher in seinem Kittel.

Doch die Globalisierung ist gnadenlos. Als ich nun Jahre später auf das Dorf zusteuere, fällt mir von weitem das hell erleuchtete Schild am Eingang auf: Gianni’s Snackbar. Mit Deppenapostroph.

Beim Einparken werde ich schlagartig in eine Realität zurück geholt, die ich hier in der Abgeschiedenheit des Münsterlands niemals erwartet hätte. Die alte Holztheke mit einer grün furnierten Fläche, auf der immer der Kurze nach dem Essen stand, ist einer hochglanzpolierten VA-Theke gewichen, neben einem Gyrosspieß stand ein Pizzaofen, auf der Speisekarte waren ebenso verwerfliche Produkte wie Burger oder Baguette, und dazwischen: richtig und nicht meine Worte, ein Spaghettifresser!

(Jens)

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